UH34: Produktion auf Demografie vorbereiten

UMSETZUNGSHILFE Nr. 34
Produktion auf Demografie vorbereiten

 

März 2014, Diese UH als PDF downloaden

Ein älterer Kollege meinte, dass das mit dem demografischen Wandel alles Geschwätz wäre. „Ältere hat es immer gegeben; und wenn die die Anforderungen nicht mehr erfüllen, schicken die Firmen die in Frühruhestand.“
Tatsächlich gab es in der Vergangenheit immer wieder die Möglichkeiten früher als gesetzlich geplant aus dem Erwerbsleben auszuscheiden – zu Lasten der Sozialkassen und unter finanzieller Unterstützung der Unternehmen. Wer nicht mehr konnte, wollte, oder durfte, wurde mit Arbeitslosengeld und Abfindung „rausgekauft“.
In Zukunft können sich die Mitarbeiter den verfrühten Ausstieg aber immer seltener leisten. Lebenslange Rentenabschläge von bis zu 14,4% bei Frühruhestand, erhöhtes Renteneintrittsalter und der Nachhaltigkeitsfaktor (NHF) zwingen viele Mitarbeiter zum Arbeiten bis 67 und vielleicht sogar darüber hinaus. „Langfristig (bis zum Jahr 2030) wird der Nachhaltigkeitsfaktor dafür sorgen, dass die Renten etwa 20 Prozent (gegenüber 2002) hinter der Lohnentwicklung zurückbleiben“ (Wikipedia.de).
Diese nach und nach wirkenden gesetzlichen Regelungen gegen den Frühruhestand (temporär durch die Wahlversprechen der großen Koalition in 2013 zeitlich verzögert) führen aber nicht zur Altersarmut, sondern zur Beschäftigung im Alter. Die Menschen werden sich an ihre Arbeitsplätze klammern, egal, ob sie die Anforderungen erfüllen, oder auch nicht.
Nur, wie können die Unternehmen die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter trotz steigendem Durchschnittsalter erhalten? Diese Umsetzungshilfe zeigt die notwendigen praxiserprobten Werkzeuge:

1. Einsicht erzeugen

Diskutieren Sie folgende Fragen mit Ihren Mitarbeitern:

  • Wie ändert sich die Leistungsfähigkeit von Menschen mit steigendem Alter?

Die maximale körperliche Leistungsfähigkeit besitzen wir mit ungefähr 25 Jahren. Dagegen nehmen Erfahrung, Geübtheit und betriebsspezifische Kenntnisse mit dem Alter zu. Eine Zeit lang puffert die zunehmende geistige Leistungsfähigkeit die abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit ab. Ab einem bestimmten Alter jedoch sinkt die gesamte Leistungsfähigkeit unwiderruflich.


Gefährlich ist der Punkt, an dem der Mitarbeiter infolge der sinkenden Leistungsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, die Anforderungen der Arbeit zu erfüllen (Schnittpunkt der blauen mit der roten Linie).

  • Was bedeutet es für den Mitarbeiter, wenn seine Leistungsfähigkeit unter die Anforderungen sinkt?
  • Was bedeutet es für das Unternehmen wenn, wenn die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters unter die Anforderungen sinkt?
  • Wie einfach gelingt es dem Unternehmen heute leistungsgeminderten Mitarbeitern alternative Arbeitsplätze mit geringerer Belastung anzubieten? Und wie werden diese Arbeitsplätze bezahlt?
  • Hat das Unternehmen diese Möglichkeiten auch noch in 5 oder 10 Jahren?

Wenn es zum Schnittpunkt zwischen sinkender Leistungsfähigkeit und steigenden Anforderungen kommt, senken heute viele Unternehmen reflexartig die Anforderung an den Mitarbeiter. Sie nehmen ihn zum Beispiel aus der Nachtschicht oder versetzen ihn auf einen anderen Arbeitsplatz mit niedrigeren Anforderungen. Aus sozialen Gründen bleibt das Entgelt oft unverändert.
Bedenken Sie: Die Anzahl älterer Mitarbeiter wird in den nächsten Jahren drastisch steigen.
Wenn Sie heute nicht gegensteuern, erhöht sich dadurch auch der Anteil an Mitarbeitern der seine ursprüngliche Tätigkeit nicht mehr ausführen kann. Vermutlich werden Sie nicht über ausreichend „Schonarbeitsplätze“ verfügen – um diese Mitarbeiter entsprechend einzusetzen.
Der einzige und richtige Ausweg liegt im Erhalt der Leistungsfähigkeit. Der Verlauf der Leistungsfähigkeit lässt sich erheblich beeinflussen (gestrichelte blaue Linie im Diagramm oben).

  • Wer kann den Verlauf der Leistungsfähigkeit beeinflussen?

Viele Firmen bieten Lauftreffs, Ernährungsberatungen, kalorienreduziertes Essen, Darmkrebsvorsorge und vieles mehr. Die Teilnahmequoten sind oft lausig. Und die, die teilnehmen sind die Falschen. Zum Lauftreff kommen die Mitarbeiter, die bisher auch schon gelaufen sind. Das Fit Menü essen die Fitten.
Klären Sie mit Ihren Mitarbeitern, wer für den Erhalt der Leistungsfähigkeit verantwortlich ist: Der Mitarbeiter hat einen Arbeitsvertrag unterschrieben, in dem er zugesagt hat seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich verpflichtet das vereinbarte Entgelt zu bezahlen.
Wie oft hat Ihr Unternehmen seine Pflicht (Zahlung des Entgelts) in der Vergangenheit erfüllt? Zu 100%? Und zu wie viel Prozent stellen die Mitarbeiter ihre Arbeitskraft zur Verfügung? Ebenfalls zu 100%?
Ohne Einsicht der Mitarbeiter für ihre Eigenverantwortung bezüglich ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit laufen alle vermeintlich gut gemeinten Aktivitäten ins Leere.

2. Die Mitarbeiter sind für den Erhalt ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit verantwortlich

Was kann der Mitarbeiter tun, um seine körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten?

  • Ausgewogene Ernährung
  • Sportlicher Ausgleich
  • Verzicht auf Alltagsdrogen: nicht rauchen, nicht trinken
  • Arbeitsschutzvorschriften einhalten
  • Ergonomie-Einrichtungen, z. B. angebotene Hebehilfen benutzen

Auch das Unternehmen kann vieles tun, um die körperliche Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten. Wenn Unternehmen sich jedoch auf die Maßnahmen des Mitarbeiters konzentrieren (Ernährung, Sport, Entspannung), nehmen sie dem Mitarbeiter die Eigenverantwortung.
Stattdessen sollte sich das Unternehmen auf andere Maßnahmen zum Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit kümmern:

  • Schulung der Mitarbeiter zur Bedeutung der Gesunderhaltung
  • Schulung der Vorgesetzten: Welchen Einfluss hat Führung und Motivation auf die Gesunderhaltung der Mitarbeiter
  • Monotonie – einseitige Belastung vermeiden, zum Beispiel täglicher oder stündlicher Arbeitsplatzwechsel
  • Arbeitsschutz und Ergonomie (Gehörschutz, Hebehilfen anbieten)
  • Moderne Schichtsysteme: schnelle Vorwärtsrotation
  • Nachtschichtausdünnung: Verschiebung von Tätigkeiten aus der Nacht- in die Frühschicht

Die Unternehmen schaden sich selbst durch ein Gesundheitsmanagement das sich auf die Maßnahmen des Mitarbeiters konzentriert. Jeder Mitarbeiter hat mit der Unterschrift unter seinem Arbeitsvertrag seine Arbeitskraft anzubieten, und zwar zu 100%.

3. Erhalten Sie die Lernfähigkeit Ihrer Mitarbeiter durch Job-Rotation

Stellen Sie sich vor, ein Mitarbeiter arbeitet seit 25 Jahren in derselben Abteilung. Kurz nach seinem 58. Geburtstag muss diese Abteilung geschlossen werden. Sie bieten diesem Mitarbeiter einen alternativen Arbeitsplatz in einer völlig anderen Abteilung, vielleicht sogar 10 km entfernt an. Wie wird der Mitarbeiter in der Nacht schlafen?
Alternativ führen Sie dieses Gespräch mit einem Mitarbeiter, der in den letzten 25 Jahren schon in fünf verschiedenen Abteilungen gearbeitet hat. Vor acht Jahren war er sogar schon für 4 Jahre an dem 10 km entfernten Standort beschäftigt. Wie wird dieser Mitarbeiter nach diesem Gespräch schlafen?
Wenn sich Menschen über einen längeren Zeitraum nicht mehr in neue Aufgaben einarbeiten müssen, verlieren sie die Fähigkeit Neues zu lernen. Und: sie verlieren das Zutrauen sich in neuen und veränderten Situationen bewähren zu können. Durch regelmäßige Job-Rotation auch im Alter erhalten Ihre Mitarbeiter die Fähigkeit und die Bereitschaft zu lernen.

4.Sorgen Sie für Wissenstransfer

In den meisten Unternehmen ist die Altersstruktur sehr inhomogen. Häufig ist die Altersgruppe der 45 – 50 jährigen überdurchschnittlich stark vertreten. Es wird kritisch, wenn diese Gruppe gleichzeitig das Unternehmen verlässt.
Indem Sie für altersgemischte Teams sorgen, können Sie Erfahrungen rechtzeitig übergeben. In Kombination mit Werkzeug 3, Job-Rotation, transferieren Sie so das Wissen an eine breitere Basis. Für Unternehmen, die sich auf Demografie optimal vorbereiten wollen, ist Job-Rotation nicht Kür, sondern Pflicht.

5. Halten Sie die jüngeren Mitarbeiter bei der Stange

Wenn ältere Mitarbeiter zukünftig fünf bis acht Jahre länger im Unternehmen verbleiben, bleiben auch viele Aufstiegspositionen länger besetzt. Dadurch kommt es aus Sicht der jüngeren Mitarbeiter zu einem Beförderungsstau. Lassen Sie das nicht zu.
Befördern Sie konsequent von innen heraus: Bieten Sie ihrem Nachwuchs weiterhin Chancen, indem alle offenen Stellen stets von Innen besetzt werden.
Und wenn es zu Nachbesetzungen kommt, nutzen Sie die Gelegenheit aus einer Führungsposition zwei zu machen. Damit sind keine weiteren Hierarchieebenen gemeint, die die Kommunikation eventuell lähmen. Nutzen Sie die Gunst der Stunde, Führungsspannen zu reduzieren. Die geführten Mitarbeiter danken es Ihnen.

6. Gruppenarbeit mit Handlungsspielraum

Im Gegensatz zu hoch spezialisierten Einzelarbeitsplätzen gilt Gruppenarbeit als gesundheitsförderlich. Warum? Gruppenarbeit ermöglicht den Mitarbeitern den sozialen Austausch während der Arbeit. Soziale Unterstützung reduziert die Belastung durch Stress . Darüber hinaus bietet Gruppenarbeit einen Rahmen um Erfahrungen weiter zu geben. Mitarbeiter bekommen die Möglichkeit ihre Arbeit und Belastung selbst zu gestalten.
Und: Wenn Mitarbeiter lernen für ihre Arbeitsorganisation Verantwortung zu übernehmen, übertragen sie diese Erfahrung auch auf andere Bereiche ihres Lebens. Sie übernehmen dann mit größerer Wahrscheinlichkeit Verantwortung für ihre eigene Lebensführung und damit Leistungsfähigkeit.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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Ressourcen:
Briegert, Enrico und Hochgeschurtz, Thomas (2011): Führung, ikotes-Verlag, Bühl.
Hochgeschurtz, Thomas (2009): Konsequent. – Das Buch zum Nicht-Technischen-Training, ikotes-Verlag, Bühl.

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